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Susanne Dröge, Expertin vom Thinktank ''Stiftung Wissenschaft und Politik'': Paris kann das Signal aussenden, dass das Ende des fossilen Zeitalters eingeläutet wurde!

Datum: Donnerstag, der 10. Dezember 2015 @ 16:17:12 Thema: Deutsche Politik News

Susanne Dröge zum Pariser Klimagipfel:

Lüneburg (ots) - Der Pariser Klimagipfel ist auf gutem Weg, die Wende zu bringen. Zeit wurde es. Schon 2014 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen.

2015 wird eine neue - vorläufige - Höchstmarke setzen.

Die Regierungschefs haben aus dem Scheitern der bisherigen Gipfel gelernt, meint Expertin Dr. Susanne Dröge vom Thinktank "Stiftung Wissenschaft und Politik": "Freiwillige Selbstverpflichtungen statt Zielwerte bringen den Durchbruch".

Sie haben die Klimaverhandlungen in Paris beobachtet. Wie groß ist die Bereitschaft, die Scharte von Kopenhagen auszuwetzen?

Dr. Susanne Dröge: In Paris wird die Ernte eingefahren, nachdem sechs Jahre lang gesät wurde. Die Aussichten stehen gut.

Hilft das Abkommen auch dem KIimä

Dr. Dröge: Darüber wird zu Recht noch gestritten. Das Abkommen hilft für sich genommen noch nicht, das Problem des Klimawandels direkt an der Wurzel zu packen. Zumal die Treibhausgase ja bereits in der Atmosphäre sind.

Selbst bei einem sofortigen Komplett-Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Ressourcen käme es zu einem Klimawandel. Der Beitrag des Abkommens von Paris ist in erster Linie, einen Weg aufzuzeigen, wie man im Gespräch bleiben kann, um echten Klimaschutz zu betreiben.

Mit ihm endet der Wettstreit des Aussitzens und des Schuldzuschiebens.

In der Vergangenheit wurden zunächst verbindliche Klimaziele international ausgehandelt, ohne Rücksicht darauf, wie umsetzbar die Ziele für die einzelnen Staaten waren.

Jetzt wurde der Prozess umgedreht: Die Staaten legten nach nationalen Debatten freiwillige Beiträge fest. Viele blieben dabei sehr konservativ, obwohl sie mehr machen könnten.

Dennoch ist mein Fazit: Dieses Vorgehen bringt mehr als das, was wir bisher hatten.

Wie groß ist die Gefahr, dass die Länder nur Minimalbeiträge vorlegen, mit denen die globale Herausforderung des Klimawandels nicht gemeistert werden kann?

Dr. Dröge: Hier besteht eine gemischte Bilanz. Einige Länder liefern nur Lippenbekenntnisse. Andere, zum Beispiel Mexiko, setzen sich beim Klimaschutz vorbildlich ehrgeizige Ziele, bringen Gesetze auf den Weg, die die beabsichtigten Maßnahmen festzurren.

Das ist auch eine Folge des in den vergangenen sechs Jahren durchlaufenen Prozesses, erst innerhalb der Länder zu diskutieren, was geleistet werden kann und auch, welchen Nutzen der Klimaschutz dem Land bringt.

Hier spätestens kommen die Energieversorgung und Versorgungssicherheit ins Spiel, die für viele Länder der Anlass sind, umzudenken.

Paris kann das Signal aussenden, dass das Ende des fossilen Zeitalters eingeläutet wurde.

Entsprechend nervös ist die Gegenreaktion der Staaten und Unternehmen, die auf Öl, Kohle und Gas setzen.

Die Niedrigpreise beim Erdöl belegen, wie heftig die Abwehrschlacht tobt. Mit Tiefpreisen versuchen die produzierenden Länder den Willen zur Energiewende zu lähmen.

Besteht die Möglichkeit, die Selbstverpflichtungen noch zu verschärfen, da erkennbar ist, dass das Zwei-Grad-Ziel verfehlt wird?

Dr. Dröge: Ja, weil in Paris auch verabredet werden soll, die Diskussion zu verstetigen. Alle fünf Jahre soll Bilanz gezogen, soll überprüft werden, ob man sich zutraut, beim Klimaschutz nochmal nachzulegen.

Peking etwa hätte gerne bereits 2025 das Jahr erreicht, ab dem der Treibhausgasausstoß sinkt, traut sich dieses Ziel wegen der extrem hohen Abhängigkeit von der Kohle nicht zu.

Da kann in der Zukunft noch etwas gehen.

Die Verabredung eines Fünf-Jahres-Zyklus ist ein Fortschritt, weil es nun nicht mehr dem Zufall überlassen bleibt, wann sich die 195 Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention mal wieder an das Thema wagen.

Wie notwendig das ist, zeigt die derzeitige optimistische Schätzung, die von einer durchschnittlichen Erwärmung um 2,7 Grad bis Ende des Jahrhunderts ausgeht. Das wird für viele Regionen verheerende Folgen haben.

Bleiben die Schwellenländer so auf Dauer im Boot?

Dr. Dröge: Die Hoffnung habe ich, weil viele Schwellenländer in dem Spannungsverhältnis zwischen Kohle und Erneuerbaren, verstärkt auf Sonne, Windkraft und Wasser setzen.

Hier ist in erster Linie China zu nennen. Indien auf der anderen Seite kann ebenfalls vorerst nicht auf Kohle verzichten. Dafür ist der Energiebedarf des Subkontinents zu groß.

Gleichwohl will Neu Delhi die erneuerbaren Energien forcieren. Dieses Spannungsverhältnis löst das Land auf, indem es auf dem Klimagipfel Unterstützung für seinen Weg hin zu den Erneuerbaren einfordert. Insofern hat sich bei der Bereitschaft der Schwellenländer das Spiel verändert.

Das Spiel hat sich auch bei der Geberlaune der Industrieländer verändert: 100 Milliarden Dollar wollen sie sich das Abkommen kosten lassen. Ist das alles frisches Geld oder wurde Entwicklungshilfe in Klimahilfe umgewidmet?

Dr. Dröge: Auch wenn noch nicht auf jeder Summe aus öffentlichen und privaten Töpfen ein Schild mit dem Verwendungszweck klebt, ist klar, dass dies auf keinen Fall alles frisches Geld ist.

Obwohl sich letztendlich nicht sauber trennen lässt, was wirklich zusätzlich ausgegeben wird, kann man davon ausgehen, dass einiges frisches Geld dabei ist.

Die Kritik der Entwicklungsländer zielt noch in eine andere Richtung: Zum größten Teil geben die Industrieländer das Geld als Kredite, womit sich die Empfänger verschulden.

Ist der Klimafonds ausreichend ausgestattet, um den Finanzbedarf der Entwicklungsländer zur Klimaanpassung abzudecken?

Dr. Dröge: Das ist genau der Knackpunkt. Eigentlich ist die Finanzierung der Klimaanpassung eine klassische Aufgabe für die öffentliche Hand. Öffentliches Gut vor Extremwettern zu schützen, birgt wenig Profitmöglichkeiten, ist also für private Investoren unattraktiv.

Deshalb ist der Fonds noch nicht gut genug ausgestattet. Beim Klimaschutz - etwa über Energieerzeugung - winken andere Profite.

Anders als beim Kyoto-Protokoll sind die USA und China dabei. Wie unsicher ist die künftige US-Politik angesichts republikanischer Aussagen, das Rad wieder zurückdrehen zu wollen?

Dr. Dröge: Die innenpolitische Auseinandersetzung in den USA ist auch im Bereich Klimaschutz sehr hart. Oft stehen sich unversöhnliche Positionen gegenüber. Die Republikaner versuchen nach Kräften, die Außen- und Umweltpolitik von Barack Obama zu torpedieren.

WürdeHillary Clintonoder ein anderer demokratischer Bewerber Obama im Amt beerben, würde die Klimaschutzagenda zwar noch fortgeführt werden, aber vielleicht nicht mehr mit demselben Nachdruck.

Ein republikanischer US-Präsident würde stoppen, was immer er noch stoppen kann. Das ist aber weniger, als man denkt. So können viele Vorstöße von Bundesstaaten vom Weißen Haus nicht unterbunden werden.

China hat zwar wegen des lauteren Murrens der Bürger über die Luftverschmutzung gute Gründe für Klimaschutz. Übersteht diese Bereitschaft die Erkenntnis, dass Kohle so ziemlich die einzige Ressource Chinas ist?

Dr. Dröge: Chinas Primärenergieverbrauch hängt zu fast 70 Prozent an der Kohle. Ein schneller Ausstieg ist illusorisch. Deshalb ist Pekings Neigung zu schnellen, vermeintlichen Ad-hoc-Lösungen fatal.

Wenn etwa bestimmte Luftverschmutzungswerte an einem bestimmten Tag unter einen bestimmten Grenzwert rutschen sollen, werden einfach vorübergehend Kraftwerke abgeschaltet.

Oder es wird erwogen, die Fabriken aus der Nähe des besonders belasteten Pekings in andere Teile des Landes zu verlegen. Nachhaltig ist etwas anderes.

Peking denkt trotz fehlenden Machtwechsels durch Wahlen nicht per se in die Länge. Aber das Regime probiert ständig etwas Neues aus, so dass Überraschungen möglich bleiben.

Denkt Deutschland noch in die Länge, ist es noch Klimavorreiter?

Dr. Dröge: Deutschland hat sich selbst so sehr unter Druck gesetzt, dass es auf jeden Fall noch Maßstäbe setzt.

Und dies gilt auch, sollte Deutschland das Klimaziel für 2020, die Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken, verfehlen. Gleichwohl muss die Bundesregierung noch mal dahingehen, wo es wehtut.

Nicht einschätzen kann ich, welche Halbwertzeit die Ankündigungen von Umweltministerin Hendricks (SPD, Anm.) haben, innerhalb von 25 Jahren den Ausstieg aus der Kohleverstromung zu schaffen.

Denn unser komplexes Gesetzgebungsverfahren ist bisweilen allzu träge, und man scheut davor zurück, alte Zöpfe abzuschneiden.

Dies betrifft vor allem die politischen Instrumente und den fehlenden Blick auf Europa. Ein Ausstieg aus der Kohle lässt sich mit Inseldenken nicht bewerkstelligen.

Der Klimawandel ist eine Apokalypse in Zeitlupe. So konnten ihn erst die Wirtschafts- und Finanzkrise und nun der Terrorismus aus den Schlagzeilen verdrängen. Wie kann verhindert werden, dass Klimapolitik immer wieder ins Aufmerksamkeitsloch rutscht?

Dr. Dröge: Die Frage ist, ob es wirklich so zielführend wäre, eine erwartete Katastrophe jeden Tag anzukündigen. Die Gefahr einer Ermüdung der Menschen wäre dann übergroß.

Aus meiner Sicht ist es eher begrüßenswert, dass das Klimathema immer mal wieder in der Versenkung verschwindet. Wenn es dann aber wieder auf die Agenda rutscht, sollte weiter an der Lösung gearbeitet worden sein.

20 Klimagipfel haben uns dem Abgrund immer etwas näher gebracht. Gilt das auch für den 21. Gipfel von Paris?

Dr. Dröge: Wer die Folgenlosigkeit der Klimaverhandlungen beklagt, überschätzt den Stellenwert solcher Gipfel. Ihre Funktion ist nicht, für morgen eine Lösung zu liefern, sondern eine diplomatische Annäherung zwischen 195 Staaten zu erreichen.

Es ist per se ein extrem schwieriges Geschäft, unter so vielen Parteien einen Konsens auszuhandeln. Gelingt dies, ist das eine gute Nachricht. Handeln müssen letztlich die Akteure, die in Paris gar nicht am Verhandlungstisch saßen - die Unternehmen und die Bürger.

Das Interview führte Joachim Zießler

Pressekontakt:

Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de

Zitiert aus http://www.presseportal.de/pm/65442/3199407, Autor siehe obiger Artikel.

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Susanne Dröge zum Pariser Klimagipfel:

Lüneburg (ots) - Der Pariser Klimagipfel ist auf gutem Weg, die Wende zu bringen. Zeit wurde es. Schon 2014 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen.

2015 wird eine neue - vorläufige - Höchstmarke setzen.

Die Regierungschefs haben aus dem Scheitern der bisherigen Gipfel gelernt, meint Expertin Dr. Susanne Dröge vom Thinktank "Stiftung Wissenschaft und Politik": "Freiwillige Selbstverpflichtungen statt Zielwerte bringen den Durchbruch".

Sie haben die Klimaverhandlungen in Paris beobachtet. Wie groß ist die Bereitschaft, die Scharte von Kopenhagen auszuwetzen?

Dr. Susanne Dröge: In Paris wird die Ernte eingefahren, nachdem sechs Jahre lang gesät wurde. Die Aussichten stehen gut.

Hilft das Abkommen auch dem KIimä

Dr. Dröge: Darüber wird zu Recht noch gestritten. Das Abkommen hilft für sich genommen noch nicht, das Problem des Klimawandels direkt an der Wurzel zu packen. Zumal die Treibhausgase ja bereits in der Atmosphäre sind.

Selbst bei einem sofortigen Komplett-Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Ressourcen käme es zu einem Klimawandel. Der Beitrag des Abkommens von Paris ist in erster Linie, einen Weg aufzuzeigen, wie man im Gespräch bleiben kann, um echten Klimaschutz zu betreiben.

Mit ihm endet der Wettstreit des Aussitzens und des Schuldzuschiebens.

In der Vergangenheit wurden zunächst verbindliche Klimaziele international ausgehandelt, ohne Rücksicht darauf, wie umsetzbar die Ziele für die einzelnen Staaten waren.

Jetzt wurde der Prozess umgedreht: Die Staaten legten nach nationalen Debatten freiwillige Beiträge fest. Viele blieben dabei sehr konservativ, obwohl sie mehr machen könnten.

Dennoch ist mein Fazit: Dieses Vorgehen bringt mehr als das, was wir bisher hatten.

Wie groß ist die Gefahr, dass die Länder nur Minimalbeiträge vorlegen, mit denen die globale Herausforderung des Klimawandels nicht gemeistert werden kann?

Dr. Dröge: Hier besteht eine gemischte Bilanz. Einige Länder liefern nur Lippenbekenntnisse. Andere, zum Beispiel Mexiko, setzen sich beim Klimaschutz vorbildlich ehrgeizige Ziele, bringen Gesetze auf den Weg, die die beabsichtigten Maßnahmen festzurren.

Das ist auch eine Folge des in den vergangenen sechs Jahren durchlaufenen Prozesses, erst innerhalb der Länder zu diskutieren, was geleistet werden kann und auch, welchen Nutzen der Klimaschutz dem Land bringt.

Hier spätestens kommen die Energieversorgung und Versorgungssicherheit ins Spiel, die für viele Länder der Anlass sind, umzudenken.

Paris kann das Signal aussenden, dass das Ende des fossilen Zeitalters eingeläutet wurde.

Entsprechend nervös ist die Gegenreaktion der Staaten und Unternehmen, die auf Öl, Kohle und Gas setzen.

Die Niedrigpreise beim Erdöl belegen, wie heftig die Abwehrschlacht tobt. Mit Tiefpreisen versuchen die produzierenden Länder den Willen zur Energiewende zu lähmen.

Besteht die Möglichkeit, die Selbstverpflichtungen noch zu verschärfen, da erkennbar ist, dass das Zwei-Grad-Ziel verfehlt wird?

Dr. Dröge: Ja, weil in Paris auch verabredet werden soll, die Diskussion zu verstetigen. Alle fünf Jahre soll Bilanz gezogen, soll überprüft werden, ob man sich zutraut, beim Klimaschutz nochmal nachzulegen.

Peking etwa hätte gerne bereits 2025 das Jahr erreicht, ab dem der Treibhausgasausstoß sinkt, traut sich dieses Ziel wegen der extrem hohen Abhängigkeit von der Kohle nicht zu.

Da kann in der Zukunft noch etwas gehen.

Die Verabredung eines Fünf-Jahres-Zyklus ist ein Fortschritt, weil es nun nicht mehr dem Zufall überlassen bleibt, wann sich die 195 Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention mal wieder an das Thema wagen.

Wie notwendig das ist, zeigt die derzeitige optimistische Schätzung, die von einer durchschnittlichen Erwärmung um 2,7 Grad bis Ende des Jahrhunderts ausgeht. Das wird für viele Regionen verheerende Folgen haben.

Bleiben die Schwellenländer so auf Dauer im Boot?

Dr. Dröge: Die Hoffnung habe ich, weil viele Schwellenländer in dem Spannungsverhältnis zwischen Kohle und Erneuerbaren, verstärkt auf Sonne, Windkraft und Wasser setzen.

Hier ist in erster Linie China zu nennen. Indien auf der anderen Seite kann ebenfalls vorerst nicht auf Kohle verzichten. Dafür ist der Energiebedarf des Subkontinents zu groß.

Gleichwohl will Neu Delhi die erneuerbaren Energien forcieren. Dieses Spannungsverhältnis löst das Land auf, indem es auf dem Klimagipfel Unterstützung für seinen Weg hin zu den Erneuerbaren einfordert. Insofern hat sich bei der Bereitschaft der Schwellenländer das Spiel verändert.

Das Spiel hat sich auch bei der Geberlaune der Industrieländer verändert: 100 Milliarden Dollar wollen sie sich das Abkommen kosten lassen. Ist das alles frisches Geld oder wurde Entwicklungshilfe in Klimahilfe umgewidmet?

Dr. Dröge: Auch wenn noch nicht auf jeder Summe aus öffentlichen und privaten Töpfen ein Schild mit dem Verwendungszweck klebt, ist klar, dass dies auf keinen Fall alles frisches Geld ist.

Obwohl sich letztendlich nicht sauber trennen lässt, was wirklich zusätzlich ausgegeben wird, kann man davon ausgehen, dass einiges frisches Geld dabei ist.

Die Kritik der Entwicklungsländer zielt noch in eine andere Richtung: Zum größten Teil geben die Industrieländer das Geld als Kredite, womit sich die Empfänger verschulden.

Ist der Klimafonds ausreichend ausgestattet, um den Finanzbedarf der Entwicklungsländer zur Klimaanpassung abzudecken?

Dr. Dröge: Das ist genau der Knackpunkt. Eigentlich ist die Finanzierung der Klimaanpassung eine klassische Aufgabe für die öffentliche Hand. Öffentliches Gut vor Extremwettern zu schützen, birgt wenig Profitmöglichkeiten, ist also für private Investoren unattraktiv.

Deshalb ist der Fonds noch nicht gut genug ausgestattet. Beim Klimaschutz - etwa über Energieerzeugung - winken andere Profite.

Anders als beim Kyoto-Protokoll sind die USA und China dabei. Wie unsicher ist die künftige US-Politik angesichts republikanischer Aussagen, das Rad wieder zurückdrehen zu wollen?

Dr. Dröge: Die innenpolitische Auseinandersetzung in den USA ist auch im Bereich Klimaschutz sehr hart. Oft stehen sich unversöhnliche Positionen gegenüber. Die Republikaner versuchen nach Kräften, die Außen- und Umweltpolitik von Barack Obama zu torpedieren.

WürdeHillary Clintonoder ein anderer demokratischer Bewerber Obama im Amt beerben, würde die Klimaschutzagenda zwar noch fortgeführt werden, aber vielleicht nicht mehr mit demselben Nachdruck.

Ein republikanischer US-Präsident würde stoppen, was immer er noch stoppen kann. Das ist aber weniger, als man denkt. So können viele Vorstöße von Bundesstaaten vom Weißen Haus nicht unterbunden werden.

China hat zwar wegen des lauteren Murrens der Bürger über die Luftverschmutzung gute Gründe für Klimaschutz. Übersteht diese Bereitschaft die Erkenntnis, dass Kohle so ziemlich die einzige Ressource Chinas ist?

Dr. Dröge: Chinas Primärenergieverbrauch hängt zu fast 70 Prozent an der Kohle. Ein schneller Ausstieg ist illusorisch. Deshalb ist Pekings Neigung zu schnellen, vermeintlichen Ad-hoc-Lösungen fatal.

Wenn etwa bestimmte Luftverschmutzungswerte an einem bestimmten Tag unter einen bestimmten Grenzwert rutschen sollen, werden einfach vorübergehend Kraftwerke abgeschaltet.

Oder es wird erwogen, die Fabriken aus der Nähe des besonders belasteten Pekings in andere Teile des Landes zu verlegen. Nachhaltig ist etwas anderes.

Peking denkt trotz fehlenden Machtwechsels durch Wahlen nicht per se in die Länge. Aber das Regime probiert ständig etwas Neues aus, so dass Überraschungen möglich bleiben.

Denkt Deutschland noch in die Länge, ist es noch Klimavorreiter?

Dr. Dröge: Deutschland hat sich selbst so sehr unter Druck gesetzt, dass es auf jeden Fall noch Maßstäbe setzt.

Und dies gilt auch, sollte Deutschland das Klimaziel für 2020, die Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken, verfehlen. Gleichwohl muss die Bundesregierung noch mal dahingehen, wo es wehtut.

Nicht einschätzen kann ich, welche Halbwertzeit die Ankündigungen von Umweltministerin Hendricks (SPD, Anm.) haben, innerhalb von 25 Jahren den Ausstieg aus der Kohleverstromung zu schaffen.

Denn unser komplexes Gesetzgebungsverfahren ist bisweilen allzu träge, und man scheut davor zurück, alte Zöpfe abzuschneiden.

Dies betrifft vor allem die politischen Instrumente und den fehlenden Blick auf Europa. Ein Ausstieg aus der Kohle lässt sich mit Inseldenken nicht bewerkstelligen.

Der Klimawandel ist eine Apokalypse in Zeitlupe. So konnten ihn erst die Wirtschafts- und Finanzkrise und nun der Terrorismus aus den Schlagzeilen verdrängen. Wie kann verhindert werden, dass Klimapolitik immer wieder ins Aufmerksamkeitsloch rutscht?

Dr. Dröge: Die Frage ist, ob es wirklich so zielführend wäre, eine erwartete Katastrophe jeden Tag anzukündigen. Die Gefahr einer Ermüdung der Menschen wäre dann übergroß.

Aus meiner Sicht ist es eher begrüßenswert, dass das Klimathema immer mal wieder in der Versenkung verschwindet. Wenn es dann aber wieder auf die Agenda rutscht, sollte weiter an der Lösung gearbeitet worden sein.

20 Klimagipfel haben uns dem Abgrund immer etwas näher gebracht. Gilt das auch für den 21. Gipfel von Paris?

Dr. Dröge: Wer die Folgenlosigkeit der Klimaverhandlungen beklagt, überschätzt den Stellenwert solcher Gipfel. Ihre Funktion ist nicht, für morgen eine Lösung zu liefern, sondern eine diplomatische Annäherung zwischen 195 Staaten zu erreichen.

Es ist per se ein extrem schwieriges Geschäft, unter so vielen Parteien einen Konsens auszuhandeln. Gelingt dies, ist das eine gute Nachricht. Handeln müssen letztlich die Akteure, die in Paris gar nicht am Verhandlungstisch saßen - die Unternehmen und die Bürger.

Das Interview führte Joachim Zießler

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Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de

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